Hamborn 1900 – 1910

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Steuerverhältnisse der Gemeinde Hamborn; denn bei einer Stadt, die in so kurzer Zeit eine solche Fülle wirtschaftlicher Bedürfnisse zu befriedigen hatte, wie ich sie in gedrängten Zahlen soeben vorgeführt, dürfte die Frage nach der Deckung ihrer Ausgaben ganz besonders interessieren. Ich entnehme folgende Angaben den Verwaltungsberichten der Stadt Hamborn, Kapitel Steuerwesen.

A. direkte Steuern.

Die Einkommensteuer ist gleichzeitig die Hauptträgerin der Gemeindesteuerumlage, sie entfällt im Durchschnitt auf mehr als zur Hälfte auf die Einkommen bis zu 3000 Mark, zum übrigen Teile auf die Einkommen der höher veranlagten Zensiten, in erster Linie der drei ansässigen Grossbetriebe: Gewerkschaft Deutscher Kaiser, Zeche Neumühl und Zinkhütte.

Die Gemeindesteuerzuschläge ergeben für

a) Einkommensteuer einschliessl. der fingierten Normalsteuersätze von 2,40 Mark und 4,00 Mark
b) Grund- und Gebäude-
c) Gewerbe- und Betriebssteuer:

Jahr a b c
1900 195 % 195 % 195 %
1901 194 % 194 % 194 %
1902 180% 180% 180%
1903 176% 176% 176%
1904 176% 176% 176%
1905 176% 176% 176%
1906 193% 193% 193%
1907 200%
1908 200%
1909 200%
1910 200%

Wenn auch die Steuererträge fast durchweg eine befriedigende Steigerung gegen die früheren Jahre aufwiesen, so schien es in Rücksicht auf die stetig wachsenden Bedürfnisse der Gemeinde doch angebracht, das nicht mehr zeitgemässe Verfahren der prozentualen Belastung der staatlich veranlagten Realsteuern in eine Besteuerungsform umzuwandeln, die die Belastungsfähigkeit der bestehenden Steuerarten zu erhöhen vermöchte. Daher hat im Jahre 1907 eine vollständige Umwälzung auf folgenden Gebieten des Steuerwesens stattgefunden:

l. Gewerbesteuer:

Noch im Jahre 1906 wurde von den Betrieben, die unter 100 Arbeiter beschäftigten, 193 % der staatlich veranlagten Sätze, bei den anderen Betneben 19,30 Mark auf den Kopf des Arbeiters erhoben.
„Diese Besteuerungsform sicherte der Gemeinde zwar eine erhebliche Einnahme, doch standen derselben insofern Bedenken entgegen, als bei den erst genannten Betrieben nur der gewerbliche Ertrag, bei den zweiten nur die Zahl der Arbeiter, also die durch dieselbe verursachte Belastung des Kommunalverbandes berücksichtigt wurde. Dazu kam, dass die Betriebe mit wenig über 100 Arbeitern ganz ausserordentlich belastet wurden, gegenüber einem Betriebe mit etwa 80—90 Arbeitern, der doch auch bereits fühlbare Steigerung der Kommunallasten herbeiführen musste.“

An Stelle dieser alten Besteuerungsform beschloss der Gemeinderat eine neue Steuerordnung, nämlich 2 % des gewerblichen Ertrages als Gemeinde-Grundsteuer. „In dieser Steuerordnung ist für alle Betriebe die Berücksichtigung der beiden oben genannten Gesichtspunkte für die Besteuerung gewahrt. Dabei sind die kleineren Betriebe durch die Freilassung der ersten fünf Arbeiter und sonstige Ermässigungen gegen eine zu hohe Belastung geschützt.“

2. Grundsteuer.

Ebenso wie bei der Gewerbesteuer entsprach auch die Art der Besteuerung, die Art der Zuschläge zu den staatlich veranlagten Grund- und Gebäudesteuersätzen nicht mehr den durch die rapide Entwicklung geschaffenen Verhältnissen. Waren doch wertvolle Baugrundstücke in bester Lage noch nach landwirtschaftlichen Erträgen z. B. als Holzung besteuert, sodass z. B. ein Besitz im Werte von Hunderttausenden etwa 10 Mark jährlich zu den grossen kommunalen Lasten beitrug. Daher stimmte der Gemeinderat der Einführung der Grundsteuer von 2,5 % des gemeinen Wertes des Grundbesitzes als Gemeinde-Grundsteuer zu. Dadurch trat eine gewisse Entlastung des bebauten Grundbesitzes auf Kosten des unbebauten ein. Schwerer verwertbare Grundstücke, die an noch nicht ausgebauten Strassen liegen oder an Strassen überhaupt noch nicht anliegen, werden noch besonders dadurch vor allzu drückender Steuerlast geschützt, als der Wert, der an sich schon ein geringerer ist, nur zu drei Vierteln zum Ansatz kommt.

3. Betriebssteuer

Auch die Betriebssteuer, die ebenfalls als Zuschlag zu den staatlich veranlagten Sätzen erhoben wurde, hat ebenfalls eine Änderung erfahren. Nach der staatlichen Veranlagung wird der Betrieb in derselben Gewerbesteuerklasse zu gleichen Sätzen belastet, sodass ein Wirtschaftsbetrieb mit einem gewerblichen Ertrage von 4100 Mark die gleiche Betriebssteuer zu entrichten hat, wie ein solcher mit einem gewerblichen Ertrage von 19000 Mark. Die seit 1907 eingeführte neue Steuerordnung macht dieser Gleichheit oder richtiger Ungleichheit ein Ende, indem die Betriebssteuer nach Prozenten des gewerblichen Ertrages erhoben wird. In Hamborn beschloss der Gemeinderat 2 % des Ertrages der der besonderen nach der Betriebssteuerordnung unterliegenden Betriebe und 200 % der staatlich veranlagten Sätze bei den der besonderen Steuer nicht unterliegenden Betriebe. Nach dieser neuen Steuerordnung stellt sich die Erhebung der Gemeindesteuern, ausser der Einkommensteuer, die ich bereits vorher bis zum Jahre 1910 angegeben, wie folgt dar:

2,5 % des gemeinen Wertes des Grundbesitzes als Gemeinde Grundsteuer, 318,71°/.o der staatlich veranlagten Grund-und Gebäudesteuern;
2 % des gewerblichen Ertrages als Gemeinde-Gewerbesteuer = 554,34 °/o der staatlich veranlagten Gewerbesteuer.
2% des Ertrages der der besonderen Betriebssteuerordnuug unterliegenden Betriebe == 920 % der staatlich veranlagten Betriebssteuer,
200 % der letzteren Steuer bei den jener besonderen Gemeinde-Betriebssteuer nicht unterworfenen Betrieben.

B. Die indirekten Gemeindesteuern

1. Umsatzsteuer

Steuerordnung vom 4. Juli 1904. Der Umsatzsteuer unterliegt — unter Berücksichtigung gewisser Befreiungen und Ermäßigungen — grundsätzlich jeder auf Grund einer freiwilligen Veräußerung erfolgende Erwerb von Grundeigentum und Bergwerkseigentum innerhalb der Gemeinde Hamborn. Die Steuer beträgt 1 % vom gemeinen Wert des Grund- bezw. Bergwerkseigentums.

2. Biersteuer

Steuerordnung vom 19. Februar 1900, bezw. 4. Februar 1904. An Steuer wird erhoben von allem in den Gemeindebezirk eingeführten Bier:
a) für schweres Bier pro hl 65 Pfg.
b) für leichtes Bier pro hl.  32,5 Pfennig

3. Hundesteuer

Steuerordnung vom 4. Juni 1885. Die Steuer beträgt für jeden Hund 9 Mark. Befreit sind nur die zur Bewachung und für das Gewerbe unentbehrlichen Hunde.

4. Lustbarkeitssteuer

Steuerordnung vom 29. Januar 1900. Für die in der Gemeinde stattfindenden Lustbarkeiten wird eine Steuer erhoben, die je nach dem Charakter der Lustbarkeit in verschiedene Steuersätze abgestuft ist. Die sämtlichen Einnahmen an Kommunalsteuern der direkten, sowie der indirekten stellen sich wie folgt dar:

Einnahmen Ausgaben
1900   684.478 Mark 1.089.034 Mark
1905 1.698.471 Mark 2.878.000 Mark
1910 3.001.585 Mark 4.666.290 Mark

Um das Mehr an Ausgaben, welche durch die Kosten für Schul-, Wege-, Entwässerungsbauten usw. verwendet werden mußten, zu decken, hat die Gemeinde Darlehen aufgenommen. Die Tilgung der Darlehen erfolgt nach den vom Kreisausschuss festgestellten Grundsätzen, je nach der Verwendungsart von 1,5 %is 10° %.

Im Verhältnis zu den großen Anforderungen, die die Ordnung der Verkehrsverhältnisse sowie die Erledigung der Schul- und Armenlasten an die Gemeindeverwaltung stellen, haben die Zuschläge zu den staatlich veranlagten Sätzen sich in relativ bescheidenen Grenzen gehalten. Es gibt Industriestädte, wie z, B. Hagen, das nicht vor einer so großen Lösung kommunalpolitischer Probleme steht, das seinen Bürgern einen Zuschlag von 275 % zu den staatlich veranlagten Sätzen zumutet.

Entnommen aus: „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Frauen in dem modernen Industrieort Hamborn im Rheinland“ – Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde einer hohen staatswissenschaftlichen Fakultät der Erhard-Karls-Universität zu Tübingen , vorgelegt von Li Fischer-Eckert aus Hagen in Westfalen. Verlag von Carl Stracke 1913