Die Polizei begründet ihren Einsatz heute selber mit „ruhestörendem Lärm“. Dabei muß noch mals erwähnt werden, daß die Stereoanlage zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes nicht in Betrieb war. Die Polizei erschien denn nun auch nicht etwa um, wie wohl ansonsten bei Ruhestörung verfahren wird, die Lärmquelle zu beschlagnahmen. Nein – eine halbe Stunde nach den ersten beiden Polizisten erschienen gleich ganze 42 weitere und stürmten brutal das Haus. ( Wie vorne geschildert )
Entgegen den heutigen Behauptungen der Polizei sind wir der Meinung, daß der Einsatz so geplant war. Wie sonst ist zu erklären,
daß zu dem Zeitpunkt, als die beiden ersten Polizisten erschienen, bereits einige Straßen weiter mehrere Einsatzwagen standen? Hierzu waren Einsatzwagen aus einem größeren Umkreis (Stadtmitte, Oberhausen ) zusammengezogen worden.
Der Einsatzleiter uns mit der Aufforderung überraschte: „Leute geht nach Hause! Euer Plan ist gescheitert!“
zwei der Festgenommenen, die länger festgehalten wurden , von der politischen Polizei, 14. Kommissariat, vernommen worden sind.
So wurde auch der Mutter eines der Festgenommenen telefonisch mitgeteilt, ihr Sohn hätte an einer Hausbesetzung teilgenommen. Die am 15. 11. 77 festgenommenen 11 Personen und der Veranstalter erhielten später Vorladungen von der politischen Polizei, die Ermittlungen wurden vom K14 geführt. Wenn der Einsatz also geplant war, was beabsichtigte denn dann die Polizei mit ihrer Brutalität? Wir sehen vor allem zwei Gründe.
In den letzten Jahren, in denen Begriffe geprägt wurden wie „Kalte Zeiten „, „Deutschland im Herbst“ „Deutscher Winter“ , haben sich in der BRD viele Dinge geändert. Toleranz gegenüber Andersdenkenden und die Wahrung demokratischer Rechte scheinen nicht mehr,oder noch weniger selbstverständlich. Das Gewalt -Potential des Staates ist, für uns alle spürbar, verschärft worden. Insbesondere mehren sich im Ruhrgebiet die Meldungen von brutalen Übergriffen der Polizei auf Jugendheime, Discotheken und Einzelpersonen. So wurden in Bochum in den letzten Jahren mehrere Menschen auf offener Straße von der Polizei erschossen. Gerade in Städten mit hoher Arbeitslosigkeit, insbesondere Jugendarbeitslosigkeit hat sich die Demonstration von staatlicher Gewalt verstärkt.
Der zweite Grund liegt sicherlich in der Tatsache, daß eine Vielzahl der auf dem Fest Anwesenden,ihre kritische politische Meinung in konkreter politischer Arbeit kundtun: in Jugendzentren, in Bürgerinitiativen, im Frauenzentrum und in anderen demokratischen Organisationen. Kritik und der Wunsch nach Veränderung stellt immer einen Unsicherheitsfaktor für die scheinbar bestehende Ruhe und Ordnung dar. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, daß kritische Menschen in unserem Land immer wieder diszipliniert werden sollen. Die freie Meinungsäußerung, insbesondere am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung, bleibt oft nur ein frommer Wunsch.
Gerade im Spätsommer 77 haben wir dies an uns erfahren So ging die Polizei ähnlich wie in Neumühl gegen die Besucher des Komic (Jugend Zentrum in Gelsenkirchen) in diesem Frühling vor. Gerade in Arbeitervierteln,wie Neumühl und Hamborn , soll deutlich demonstriert werden, daß die Ruhe und Ordnung im Lande auf gar keinen Fall angetastet werden darf. Und hierbei sind die Hüter der Ordnung nicht gerade zimperlich.- Wer negativ auffällt kriegt eins über die Rübe. So fuhr das selbe Polizeikommando, das unsere Fete „abserviert “ hatte, gleich weiter zu einer Disco in der es Unruhe gab. Auch dort wurden die Ordnungshüter in körperliche Auseinandersetzungen mit den Gästen „verwickelt“, bei denen mehrere Personen verletzt wurden.
Die meisten,der auf dem Fest Anwesenden, waren auch im September 77 in Kalkar, um gegen das dort im Bau befindliche Atomkraftwerk zu demonstrieren. Kaum jemand, der nicht wie ein Schwerverbrecher durchsucht wurde. AKW – Gegner wurden vor der Demo bespitzelt. So auch einige der jetzt im Neumühlprozess Angeklagten. Wir meinen, daß durch den brutalen Polizeieinsatz in Neumühl anders und kritisch Denkende in Duisburg eingeschüchtert; vielleicht sogar kiminalisiert werden sollen.
in Dokumentation zum Neumühl-Prozess (1979)