Hamborner Forderungen

Am 18. Dezember traf der Linkssozialdemokrat Ströbel , einer der beiden Vorsitzenden der preußischen Revolutionsregierung, aus Berlin im Revier ein, um die Streikbewegung durch Verhandlungen beizulegen. In einer großen Konferenz in Mülheim unter Ströbels Vorsitz gestand die Thyssen-Direktion ihren Belegschaften eine einmalige Zahlung von 100–200 Mark pro Bergmann sowie von 25 Mark für jedes Kind unter 14 Jahren zu, Jedoch nicht – und auf diese Interpretation legte die Direktion Wert – als Teuerungszulage, die die Belegschaften gefordert hatten, sondern als teilweise Entschädigung für den durch den Streik entstandenen Lohnausfall. Voraussetzung der Zahlung sei jedoch, daß ab 1. Februar 1919 die Achtstundenschicht voll verfahren werde. Gegen diese Klausel erhob sich in Hamborn bei einer Minderheit der Bergleute Widerstand. Die Mehrheit nahm jedoch das Abkommen an und beschloß, den Streik zu beenden.

Die Interpretation, die die Thyssen-DIrektion der einmaligen Zahlung gegeben hatte, erwies sich als wirkungslose Spitzfindigkeit: für die Bergleute in den Nachbarorten war allein entscheidend die Nachricht, wieviel Ihre Kameraden in Hamborn ausgezahlt erhielten. So forderten drei Zechenbelegschaften der Gutehoffungshütte unmittelbar nach dem Mülheimer Kompromiß außer einer Streikentschädigung die Hamborner Zahlungen.

Erfolge auch in Oberhausen und Mülheim

Mit den Hamborner Aktionsformen — Demonstrationszügen und Stillegungen von Nachbarzechen — brachten sie die Direktion zum Nachgeben: am 2. Januar 1919 gestand diese die Hamborner Sätze und eine Zusatzzahlung, abgestuft: nach der Zahl der Streikschichten, zu. Dieser Erfolg der Oberhausener Bergleute war ein Dammbruch; bis zum nächsten Tag standen bereits sämtliche Schächte des Mülheimer Bergwerksvereins mit denselben Forderungen im Streik, und das griff um sich: eine Belegschaft zog die nächste in den Streik, und jede forderte die Hamborner Sätze.

Erhard Lucas: Märzrevolution im Ruhrgebiet I